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W I S S E N S W E R T E S über Trauer und traudich:

 

Vorbemerkungen:
Anfang der achtziger Jahre wurde in den USA ein erstes Trauerzentrum gegründet, das Trauerarbeit mit und für Kinder und deren Familien anbot.
Durch die erfolgreiche Arbeit, die sich deutlich von den üblichen Therapie- und Beratungsangeboten unterschied, wurden nach diesem Vorbild bald weitere Gruppen in Amerika, Japan, Australien und Irland gebildet.
In Deutschland gibt es die ersten Zentren für trauernde Kinder und Jugendliche seit Anfang 2000 zunächst in Bremen und Bergisch-Gladbach, ab 2001 in Berlin und München, ab 2004 in Hamburg und Kiel. Inzwischen werden auch in kleineren Städten Zentren gegründet. Im Landkreis Harburg gab es bisher noch keine Gruppe dieser Art.
Im Januar 2009 wurde in Buchholz in der Nordheide der gemeinnützige und mildtätige Verein: „traudich – Treffpunkt für trauernde Kinder Buchholz e.V. – Trauergruppen für Kinder und Jugendliche – “  gegründet.
Die Zusammenkünfte finden im Mehrgenerationenhaus KALEIDOSKOP statt.

 

Unsere Motivation:
Kinder und Jugendliche sind oft allein mit ihren Gedanken und Gefühlen, wenn ein nahestehender Mensch stirbt. Die anderen Mitglieder der Familie sind meist mit ihrer eigenen Trauer- und Situationsbewältigung beschäftigt und können sich so nicht oder nicht ausreichend um die trauernden Kinder kümmern. Freunde, Klassenkameraden etc. wissen oft nicht, wie sie sich verhalten sollen und ziehen sich häufig zurück.
In der Gruppe können trauernde Kinder und Jugendliche Gleichaltrige kennenlernen, die wissen, wie einem zumute ist, wenn z. B. Vater oder Mutter, Bruder, Schwester oder Großeltern gestorben sind.
Das Gefühl der Trauer zeigt sich nicht nur in Traurigkeit, sondern auch in Angst, Verzweiflung, Sorge, Wut, manchmal auch in unverständlicher Erleichterung und Heiterkeitsausbrüchen, in Aggressionen und schweigender Verstocktheit, natürlich auch bei schulischen Problemen sowie in körperlichen Beschwerden.
Das traumatische Erlebnis kann psychische und physische Probleme auslösen.
Die Motivation der Trauerbegleiter des „traudich – Treffpunkt für trauernde Kinder Buchholz e.V.“ ist, Betroffene so früh wie möglich bei der Trauerarbeit zu unterstützen.

 

Ziele:
Kinder und Jugendliche, die einen geliebten Menschen verloren haben, dürfen traurig sein und müssen trauern! Sie sollen erfahren, sich das zu trauen! (traudich!)

Kinder und Jugendliche brauchen einen „RAUM“, um ihrer Trauer Ausdruck geben zu können. Dabei ist es wichtig, dass nicht nur Erwachsene (Psychologen, Seelsorger, Kinderärzte, Lehrer, Familienangehörige …) ihnen zuhören und Beistand geben, zusätzlich ist es wichtig, dass auch Gleichaltrige, die ebenso Trauererfahrung machen, sich austauschen können.
Den Gefühlen kann in der Zeit des freiwilligen Zusammenseins im „traudich -Treffpunkt für trauernde Kinder Buchholz e.V.“  ohne Kontrolle von außen „Raum“ gegeben werden. Betreuerinnen und Betreuer begleiten die Kinder und Jugendlichen, damit diese für sich herausfinden können, was ihnen bei der Bewältigung der Trauer hilft.
Der Tod eines nahestehenden Menschen und die anschließende Trauer beeinflußt alle Lebensbereiche. Es ist praktisch nichts mehr so wie es einmal war. Trauer ergreift den ganzen Menschen und verändert sein Fühlen, Denken und Handeln und hat somit Auswirkungen auf die Kontakt-, Kommunikations-, Leistungs- und Lebensfähigkeit. Sie kann dazu führen, dass vertraute Funktions- und Beziehungsstrukturen im Familien-, Freundes- und schulischem Wirkungskreis gestört werden oder sogar zerbrechen.
In der Gesellschaft (Bekanntenkreis, Schule, Arbeitsplatz) besteht oft die Erwartungshaltung, dass die Trauer möglichst rasch überwunden und zur „Normalität“ übergegangen wird.
Aber die erlittene Trennungs- und Verlusterfahrung begleitet die Menschen ein Leben lang. Erwachsene trauern anders als Kinder. Sie können in die Trauer „hinein springen“ und auch ganz schnell wieder heraus. Dadurch geraten sie manchmal in eine Isolation, da sie nicht verstanden werden. Sie drücken sich oft auch nicht mit Worten oder Weinen aus, sondern ihre Trauerarbeit äußert sich im Spielen, Malen, Musizieren, Kneten, Töpfern, Schweigen, Schreien oder auch Schlagen. Für alle Gefühlsäußerungen bieten wir einen „geschützten Raum“.
Ziel des „traudich – Treffpunkt für trauernde Kinder Buchholz e.V.“ ist, dass die Kinder und Jugendlichen ihren individuellen Weg der Trauerarbeit finden, dass sie wieder Orientierung und Sicherheit zurück erlangen und nach Möglichkeiten suchen, um den Verlust in ihr weiteres Leben zu integrieren.
Die Kinder und Jugendlichen erfahren, dass sie mit ihrem Leid und ihren Sorgen, mit ihren Ängsten und ihren Fragen, mit ihrer Lebendigkeit oder auch Zurückgezogenheit nicht allein sind. In der Gemeinschaft mit anderen Betroffenen können sie heilsame Erfahrungen machen.

 

Die Voraussetzungen für die Trauerbegleiter und -begleiterinnen sind dabei:

  • AKZEPTANZ – jemand ist, wie er gerade ist!
  • ANTEILNAHME – einfühlsames Verständnis, kein Mitleid!
  • AUSHALTEN KÖNNEN – Weinen, Verzweiflung – ohne zu vertrösten!
  • ZEIT haben für Fürsorge!
  • ZUWENDUNG geben und liebevollen Umgang pflegen!
  • ZUVERSICHT und Wertschätzung vermitteln!

 

Rechte trauernder Kinder:
In Amerika wurde eine Liste mit Rechten zusammengestellt, die jedes trauernde Kind auf der ganzen Welt hat. Daraus ein Auszug:

Jedes Kind hat das Recht,

  • die Wahrheit über den Tod, die verstorbene Person und die Todesumstände zu erfahren und Fragen ehrlich
    beantwortet zu bekommen
  • mit Respekt behandelt und ernst genommen zu werden
  • seine Gefühle und Gedanken für sich zu behalten, wenn es das möchte
  • eigene Vorstellungen und Erklärungen für den Tod zu haben
  • überall dann und dort zu trauern, wann und wo es das möchte
  • die Person, die gestorben ist und den Ort, an dem sie gestorben ist, noch einmal zu sehen
  • wütend über den Tod, den Verstorbenen, auf Gott, sich selbst oder andere zu sein
  • Schuldgefühle darüber zu empfinden, dass der Tod durch irgendetwas hätte verhindert werden können
    selbst, wenn diese irrational und unbegründet sind
  • Menschen, die unsensibel gegenüber seinen Gefühlen sind, auch mal zu verärgern.

 

Grundsätze:
Die folgenden Grundsätze beschreiben die Grundhaltung, mit denen wir im „traudich – Treffpunkt für trauernde Kinder Buchholz e.V.“ trauernden Menschen begegnen wollen:

  • Der Tod gehört zum Leben, daher ist der Umgang mit dem Tod Teil unserer Lebensaufgabe. Jeder Tod ist anders und wird unterschiedlich erfahren.
  • Trauer in all seinen Formen ist eine natürliche Reaktion auf den Verlust.
  • Jeder Mensch findet seine eigene Art, mit der Trauer umzugehen.
  • Es gibt kein „Richtig“ oder „Falsch“, sondern viele individuelle Wege, mit der Trauer zu leben.
  • Eine Trauer kann und sollte nicht bewertet werden.
  • Trauer ist ein aktiver Prozess. Über die Zeit verändert sie sich und wird so ein Teil des persönlichen Lebensweges.
  • In unseren Gruppen wird keine therapeutische Arbeit im eigentlichen Sinne geleistet! Wir wollen ein Stück des Weges mitgehen, begleiten, unterstützen.

Für manche Menschen ist es hilfreich, auf diesem Weg Unterstützung durch Außenstehende zu bekommen.Dieser Aufgabe stellt sich  „traudich – Treffpunkt für trauernde Kinder Buchholz e.V.“.

Ballons steigen auf

 

Regeln:
Es gibt feste Regeln für alle Teilnehmer, die in den Gruppen zu beachten sind und auf deren Einhaltung die Trauerbegleiter bestehen:

  • Alles, was gesprochen wird, bleibt im Raum, ich erzähle nichts weiter.
  • In der Begrüßungs- und Abschiedsrunde höre ich zu, wenn die Anderen reden.
  • Ich lache niemanden aus.
  • Ich störe andere nicht beim Spielen.
  • Ich verletze niemanden durch Schlagen oder Stoßen.
  • Ich habe das Recht, „HALT“ zu sagen; alle anderen nehmen das ernst.
  • Ich habe das Recht zu schweigen und für mich zu sein.
  • Kein Kind ist ohne einen Erwachsenen im Raum.
  • In der Gruppe gibt es kein „RICHTIG“ oder „FALSCH“. Es ist, wie es ist!
  • Handys, Gameboys, eigene CD-/MP3-Player sind ausgeschaltet!

Engel basteln

 

Angebot:
In 14-tägigem Gruppen-Rhythmus werden – außerhalb der Ferienzeit – vom „traudich – Treffpunkt für trauernde Kinder  Buchholz e.V.“ Gruppennachmittage angeboten – für Kinder und Jugendliche aus Buchholz und den angegliederten Gemeinden.
Eine Gruppe richtet sich an Kinder von 6 bis ca. 11 Jahren. (Wenn ein Kind lieben kann, kann es auch trauern. Dementsprechend ist das Angebot auch schon für Sechsjährige, wobei die Möglichkeit der sprachlichen Verständigung gegeben sein muss.)
Die zweite Gruppe richtet sich an etwa11- bis ca. 16-jährige Kinder und Jugendliche.
Angehörigen- oder Begleitergruppe: Diejenigen, die die Kinder bringen, können sich im separaten Raum –  unter fachkundiger Anleitung – austauschen.
Vor einer Teilnahme an den Gruppen laden wir zu einem individuellen Vorgespräch ein.

Für die Kinder und Jugendlichen stehen in unregelmäßigen Abständen folgende „sog. Kreativ-Angebote“ zur Auswahl:

  • SPIELEN
  • SCHWEIGEN
  • SCHLAGEN (Sandsack oder  Schaumstoffsticks)
  • SPRECHEN
  • SINGEN (?)
  • SCHREIBEN (eigene Texte) oder:
  • TEXTE (vorgegebene: lesen, bearbeiten, zuhören)
  • BILDERBÜCHER anschauen
  • MALEN
  • MUSIZIEREN
  • KNETEN
  • TÖPFERN
  • BASTELN
  • BALANCIEREN
  • HÖREN (Musik, Hörspiele, Hörbücher)
  • FRAGEN (sich selbst und anderen stellen)
  • TRÄUMEN …

Die Angebote gelten zunächst für ca. 10 Treffen. Sollten die Kinder weitere Gruppennachmittage wünschen, bedarf es des Einzelgesprächs.
Nach dem 1. oder 2. Treffen entscheiden die Kinder, ob sie weitermachen wollen.

Die Gruppengröße richtet sich nach der Nachfrage, nach der Anzahl der freiwilligen MitarbeiterInnen und dem Raumangebot.

Mittelalterfest

Ablauf:
Es ist uns wichtig, dass die Gruppennachmittage immer nach dem gleichen Muster stattfinden. Diese Gleichmäßigkeit gibt den Kindern und Jugendlichen – gerade in der Zeit nach dem Verlust eines nahestehenden Menschen – Sicherheit und Halt, sie erleben Beständigkeit.

Ablauf eines Gruppennachmittags:
1. Vorbereitung der Teams auf die Gruppe 60 Minuten
2. Kinder-/Jugendlichengruppe;
parallel dazu die Erwachsenen-/Begleitergruppe: 90 Minuten
3. Nachbereitung des Teams ca. 60 Minuten

Ablauf der 1 ½ Stunden Kinder-/Jugendlichengruppe:
1. Begrüßungsrunde ca. 30 Min.
2. Kreativphase/Freispielphase ca. 45 Min.
3. Abschlussrunde ca. 15 Min.

 

Rolle der Begleiter (Angehörige bzw. Bezugspersonen der Kinder):
Die Angehörigen bzw. Bezugspersonen, die die Kinder zum Treffen begleiten, können an der parallel stattfinden „Angehörigengruppe“ teilnehmen. Diese Gruppe wird in der Regel von zwei ehrenamtlichen Helferinnen/Helfern betreut.

Auch Erwachsene sind meist dankbar, wenn sie sich über  ihre Ängste/Gefühle und Erlebnisse austauschen können.
Häufig geht es auch um sehr praktische Hilfe bzw. Tipps.
Außerdem ist ihre Rolle für die MitarbeiterInnen wichtig, da sie die Handlungen, Gefühle, Reaktionen bzw. Nicht-Reaktionen der Kinder aufnehmen und zurückspiegeln können.
Für die Kinder widerum entsteht durch das Mitkommen und Dableiben  ein Gefühl der Sicherheit und des Angenommenseins.
Sie erkennen, dass etwas „für sie“ getan wird.

Am Schluss des Gruppennachmittags kommen alle für die Verabschiedung im Raum der Kinder/Jugendlichen zusammen.
Für die Gespräche der Erwachsenen ist ein separater Raum vorgesehen.

 

Regeln für Begleitpersonen/“Elternarbeit“:

  • Das, was die Kinder in der Gruppe s a g e n , darf nur mit Zustimmung der Kinder von den ehrenamtlichen Helfern/der Leitung an die Begleitpersonen/Eltern weitergegeben werden!
  • Auf Fragen an die Kinder, die nicht beantwortet werden, soll nicht nachgefragt/nachgehakt werden – gleiches gilt für Kinder!
  • Begleitpersonen/Eltern dürfen nicht während der Gruppenarbeit stören!
  • Wenn Kinder in die Begleitergruppe/Elterngruppe kommen (sie haben jederzeit das Recht dazu!), sollten sie nach der Beruhigungs-/Trostphase in die Kindergruppe zurückgeschickt werden!
  • Von den Kindern ausgesuchte „Vertrauenspersonen“ sollten sich dem nicht entziehen und ansprechbar bleiben!
  • Akzeptanz des „traudich-Konzeptes“, d.h. Eltern/Begleiter stimmen grundsätzlich zu, dass in den Gruppen mit den Kindern/Jugendlichen zum Thema Tod und Trauer gearbeitet wird.
    Im Wesentlichen gelten die Gruppenregeln auch für die Begleitergruppe!
  • Religiöse, kulturelle und individuelle Unterschiede in der Sichtweise zu dem Thema Tod und Trauer werden von allen akzeptiert!
  • Akzeptanz der „Rechte trauernder Kinder“! = Konsequenz für Verhalten!
  • Sensibilität für die Befindlichkeit der Kinder (bei Unwohlsein lieber den Gruppennachmittag absagen!).
  • Jeder Erwachsene sorgt für sich selbst, für seine „Psychohygiene“! Die Treffen sind kein Therapieersatz!!!
  • Bereitschaft zu feedback – Gesprächen  mit den Mitarbeitern.
  • Gegebenenfalls Teilnahme an den Freizeitaktivitäten gemeinsam mit den Kindern/Jugendlichen, z.B. Sommerfest, Weihnachtsfeier.

 

Rolle des Leitungsteams:
Das Leitungsteam ist u.a. für die Organisation und Koordination zuständig.
Das Team besteht zur Zeit aus einer Physiotherapeutin (stellvertretende Vorsitzende), einem Schulpsychologen (Berater), einer Bankkauffrau (Kassenwartin) und einem Pädagogen/langjährigen Beratungslehrer (Vorsitzender) – alle AD.
Sie sind verantwortlich für die Qualifizierung der freiwilligen Begleiter und entscheiden über deren Einsatz als BetreuerIn.
Das Leitungsteam ( bzw. einzelne aus dem Team oder von ihm delegierte HelferInnen):

  • sorgt für die Räumlichkeiten und die Materialien
  • regelt die finanziellen Angelegenheiten und das Einwerben von Spenden und Fördermitteln
  • führt die individuellen Vorgespräche (oder delegiert andere) und entscheidet über die Aufnahme in der Gruppe; ggf. verwaltet es die Warteliste
  • leitet das Vorbereitungstreffen, begrüßt die Kinder und Jugendlichen und deren Begleiter, eröffnet den Begrüßungs- und Abschiedskreis und ist für den Zeitablauf bzw. die Zeitkontrolle zuständig.

Das traudich-Team besteht ausschließlich aus ehrenamtlichen  Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ( 2015: 15 Helferinnen und 5 Helfer), die alle unentgeltlich arbeiten.
Sie haben Erfahrung aus eigener Kindererziehung und Trauerarbeit und kommen aus erzieherischen, pflegerischen sowie kaufmännischen/technischen Berufen.
Zur Rolle des Teams der ehrenamtlichen Helfer – siehe „engagieren„!